Ahoi Piraten,

wie Ihr vermutlich bereits erfahren habt, habe ich dem Bundesvorstand am 5. Januar meinen Rücktritt als Generalsekretär der Piratenpartei Deutschland erklärt. Da Ihr mich sieben Monaten zuvor in dieses Amt gewählt habt, schulde ich euch eine Erklärung.

Ich hatte mich nicht aus einer Laune heraus für dieses Amt beworben. In den anderthalb Jahren zuvor war ich direkt und massiv involviert in insgesamt fünf Wahlkämpfen bundesweit und musste überall feststellen, dass die Piratenpartei nicht einmal ansatzweise in der Lage war, die nötige Anzahl an Personen hierfür zu mobilisieren.

Sei es bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg, wo ich insgesamt 14 mal den Versuch startete, eine Aufstellungsversammlung zu leiten – lediglich fünf erreichten die nötige Teilnehmerzahl – über die Bundestagswahl, wo ich unter anderem für fünf Landeslisten sowie fünf Direktkandidaten Unterstützerunterschriften sammelte bis hin zu den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein, NRW und Niedersachsen hatte ich mich von der Vorbereitung bis zum Wahlkampf vor Ort eingebracht.

Überall gab es das Gleiche Problem. Eine Personaldecke, die nicht einmal ansatzweise ausreichte, um auch nur einen Bruchteil der Wähler erreichen zu können.

In den Landesverbänden fand man durchschnittlich 6-8 Mitglieder, wenn man wohlwollend zählt, die zur gleichen Phase des Wahlkampfes aktiv waren. Nicht unbedingt die Gleichen über den ganzen Wahlkampf, aber in den einzelnen Phasen – Aufstellung, UUs sammeln, Vorbereitung, Plakatieren, Infostände + Aktionen – pendelt sich dieser Durchschnitt in etwa jeweils ein.

Dazu kamen eine Handvoll Piraten, die das bundesweit unterstützte, meist in ihrer jeweiligen präferierten Phase.

Damit lassen sich keine Wahlkämpfe gestalten und jede Frustration über unsere Wahlergebnisse liegt hierin begründet.

Und diese dünne Personaldecke, diesen Mangel an Willen mitzuarbeiten, findet sich auch in jedem anderen Bereich der Partei. Sei es bei der Besetzung von Vorständen, der Öffentlichkeitsarbeit, der IT oder der Mitgliederverwaltung.

Wir haben hunderte, gar tausende Mitglieder, die glauben ganz genau zu wissen, was die Handvoll Mitglieder, die tatsächlich arbeiten, tun sollten, aber kaum jemanden, der einfach vorbeischaut und klärt, ob überhaupt die nötige Zeit dieser Menschen zur Verfügung steht, geschweige denn was sie tun könnten, um sie zu entlasten.

Der Grund dafür ist so simpel, wie er furchtbar ist. In vielen Fällen definieren die Animositäten zwischen Mitgliedern der Partei deren Mitgliedschaft deutlich mehr als ihr politisches Engagement, die Werte oder das Programm der Piratenpartei, auf das man sich mal geeinigt hat.

Wenn Person A sich in der ÖA des Bundes engagiert, dann arbeitet Person B ausschließlich in der ÖA des eigenen Landesverbandes und umgekehrt. Wenn Person B sich beim Thema X in einer AG engagiert, dann arbeitet Person A, sofern das gleiche Thema von Interesse ist, daran in einer konkurrierenden Gruppe und umgekehrt.

Bis zu einem gewissen Grad ist dies vollkommen natürlich. Nicht jede Nase passt, unterschiedliche Ansichten und Meinungen, unterschiedliche Arbeitsweisen, unterschiedliche Charaktere sind nicht immer kompatibel. Das ist etwas, das man in jeder Gruppe von Menschen beobachten kann, die über das engste persönliche Umfeld hinausgeht.

Aus diesem Grund haben sich in der Menschheitsgeschichte immer Strukturen entwickelt, sobald eine Gruppe eine gewisse Größe überschritt. Hierarchien, wenn man so will, wo einzelne Personen eine Vermittlerrolle einnehmen sollten zwischen den Personen.

Auch die Piratenpartei hat solche Hierarchien entwickelt mit ihren Vorständen und Beauftragten, doch diese Aufgabe zu bewältigen gelang in der Vergangenheit nicht.

Sicherlich liegt der Hauptgrund an der Größe der Aufgabe, denn zwischenmenschliche Animositäten zu überwinden als Vermittler ist bereits zwischen 2 Personen zeit- und arbeitsintensiv, geschweige denn zwischen einer ganzen Partei. Jedoch hatte ich in der Vergangenheit nicht den Eindruck als wäre dies ein Hauptanliegen ehemaliger Bundesvorstände und sah hierin auch nicht ihre größte Kompetenz. Zu sehr war der Eindruck entstanden, sie in jeweilige Lager einordnen zu können oder dass ihnen das nötige diplomatische, vermittelnde Auftreten zu sehr abging.

Inmitten der Wahlkämpfe hatte sich mir der Eindruck aufgedrängt, dass wir hier neues Personal im Bundesvorstand benötigen. Menschen, die in der Vergangenheit einen „guten Draht“ zum linken als auch zum liberalen Flügel der Partei und allem dazwischen zeigten. Und es hatte sich mir auch der Eindruck aufgedrängt, selbst eine solche Person zu sein.

Als jemand, der erst zur Safe Your Internet Kampagne Mitglied wurde waren die Altlasten – Animositäten, die sich aus Streitereien alter Tage etablierten – kein Thema für mich und gerade im Wahlkampf hatte ich sehr produktive und positive Zusammenarbeit mit allen Mitgliedern, die sich einbrachten machen dürfen.

Auch die politische Ausrichtung zeigte sich für mich als geringes Problem, denn in vielen Gesprächen zeigte sich mir, dass das was die Mitglieder als links, liberal, sozialliberal oder linksliberal für sich definierten wenig bis kaum mit dem ideologischen Hintergrund zu tun hatte. In den meisten Fällen hatten die Mitglieder sich einfach nie tief genug mit der Materie beschäftigt, um überhaupt eine solche Aussage zu treffen, die über ein bloßes Framing hinausgeht.

Jetzt bin ich auch kein Politikwissenschaftler, aber doch jemand, der ein bisschen was in seinen Jahren gelesen und gelernt hat, und in all den Gesprächen mit den Mitgliedern stellte sich sehr deutlich heraus, dass die politischen Ansichten selbst zwischen den konträrsten Teilen der Partei lediglich Nuancen sind.

Das mag in der Vergangenheit durchaus anders gewesen sein, aber wie ich schon schrieb, waren längst vergangene Streitereien kein Thema für mich.

Nun war ich also in der Situation. Ich hatte den Eindruck, dass die Piratenpartei einen Bundesvorstand braucht, um weiterexistieren zu können, der zwischen den Gruppen vermittelt. Ich hatte den Eindruck, selbst eine solche Funktion ausüben zu können. Und ich wurde gefragt, ob ich dies tun würde.

Also kandidierte ich.

Ich war kein starker Kandidat für einen Bundesvorstand. Meine Vorstandserfahrung betrug lediglich anderthalb Jahre auf Landesebene sowie ein bisschen mehr Zeit auf Bezirksebene.

Damit gehörte ich aber doch zu den erfahreneren Kandidaten.

Ich betrachtete meine Kandidatur als Projekt, mit dem klaren Projektziel, die Piratenpartei am Ende meiner Amtszeit in die Lage versetzt zu haben, das Nachfolgeprojekt der Europawahl 2024 erfolgreich gestalten zu können.

Ähnliches hatten wir uns zuvor bereits in unserer Klausur im Landesvorstand uns als Ziel vorgenommen.

In beiden Fällen war dies zwingend notwendig und ist es heute noch, denn selbst die 6-8 Aktiven pro Landesverband im Bundestagswahlkampf werden wir nach aktuellem Stand nicht mehr aufbringen können.

Zu einer Projektplanung gehören entsprechende Etappen, Meilensteine und einzelne Projektschritte, die separat, parallel und manche eben auch linear durchgeführt werden müssen. Ein Dach kann man nicht vor dem Keller bauen, aber das Wohnzimmer kann man gleichzeitig mit dem Schlafzimmer streichen.

Aus meiner Sicht war deutlich, dass viele, fast alle Probleme der Piratenpartei von dem Schritt, mehr Aktivität zu generieren, abhängen. Aktivität generiert sich aus neuen Mitgliedern, doch neue, aktive Mitglieder zu gewinnen hängt massiv von der Aktivität der vorhandenen Mitglieder ab. Sie müssen gefunden und gewonnen werden. Sie müssen herangeführt und eingebunden werden.

Das hat nichts mit Tools zu tun, sondern schlicht damit, ob es Mitglieder gibt, die am Samstag einen Infostand abhalten, um mit neuen Menschen zu reden, sie zu Stammtischen einladen und ihnen die Möglichkeiten, sich in der Piratenpartei einzubringen, erklären und schmackhaft machen.

Der erste Projektschritt war also klar. Menschen motivieren. Mitglieder motivieren.

Das habe ich in der Vergangenheit bereits getan und wusste, was hierfür notwendig ist.

Als ich in die Piratenpartei eingetreten war, wurde ich im Landesverband Baden-Württemberg sowie der Untergliederung Bezirksverband Stuttgart aufgenommen. Dieser Bezirksverband war damals im Grunde tot. Der Vorstand bestand offiziell aus drei Mitgliedern, doch wenn man sich die Protokolle ansah zeigte sich deutlich, dass lediglich eines dieser Mitglieder überhaupt aktiv war. Die meisten Sitzungen protokollierten die Anwesenheit dieses Mitglieds und die Tatsache, dass man nicht beschlussfähig war.

Der Bezirksverband hatte damals zwar ein halbes Dutzend Mandate und ein für diese Gliederungsebene prall gefülltes Konto, aber praktisch keinerlei Aktivität. Ich wurde hier in den Vorstand gewählt und gemeinsam mit meinen beiden Mitvorständen änderten wir dies.

Mein wichtigster Teil hieran war es, die einzelnen aktiven Mitglieder zu vernetzen, indem ich sie aufsuchte und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit suchte und fand. Der Bezirksverband Stuttgart deckte den Regierungsbezirk Stuttgart ab, das ist etwa ein Viertel von Baden-Württemberg, und hier gab es insgesamt 12 regelmäßige Treffen von Piraten jeden Monat.

Ich besuchte jeden. Das war mein Wahlversprechen und auch wenn es mir bei zweien nur unregelmäßig aufgrund der Entfernung gelang, war ich bei den übrigen 8 fast jeden Monat anwesend, hörte den Mitgliedern zu, berichtete was in den anderen Bereichen so passiert und diskutierte hieraus Vorschläge mit den anwesenden Mitgliedern für eigene Aktivität.

Im Ergebnis war der Bezirksverband durch diese Aktivität maßgeblich daran beteiligt, dass Baden-Württemberg seine Unterstützerunterschriften zur Bundestagswahl frühzeitig – wir waren glaube ich der zweite oder dritte Landesverband – fertig hatte und damit Zeit gewann, die nachfolgenden Tätigkeiten im Wahlkampf zu planen und durchzuführen sowie anderen Landesverbänden zu helfen.

Auch bei dieser Hilfe versuchte ich, Motivation zu generieren, und wie mir das eine oder andere Mitglied bestätigte, war dies auch erfolgreich. Ich hatte beispielsweise beschlossen, Zeit mit der Unterstützung von Hessen und Rheinland-Pfalz oder kurz vor Schluss Schleswig-Holstein beim Unterschriften sammeln zu investieren.

Das kann man machen – und im Grunde soweit individuell machbar – auch erwarten, denn es war eine gemeinsame Wahl, bei der wir alle gemeinsam angetreten sind. Je mehr Landesverbände zur Wahl zugelassen wurden, desto größer waren unsere Erfolgsaussichten.

Was ich anders machte als Andere, die durchaus erfolgreicher waren beim Sammeln, war von Grund heraus Mitglieder zu motivieren, es mir gleich zu tun. Dies machte ich beispielsweise, indem ich recht breit verbreitete, in Stuttgart am Freitagabend nach der Arbeit in den ICE einzusteigen um am Samstagmorgen in Kiel Unterschriften zu sammeln oder indem ich die Woche beim Sammeln in Rheinland-Pfalz und teilweise Hessen ankündigte – und zum Erstaunen der Mitglieder auch durchführte – indem ich mit dem Fahrrad dorthin fuhr.

Mitglieder motivieren war also etwas, was ich in der Vergangenheit bereits erfolgreich umsetzte.

Wie man Mitglieder motivieren kann ist jedoch sehr individuell. Person A hat eine intrinsische Motivation, Person B wird durch Lob motiviert. Person C braucht einen Tritt in den Allerwertesten, Person D lässt sich von Konkurrenz motiveren und wenn wir uns lange genug durch das Alphabet quälen, finden wir noch zahlreiche weitere Motivationsanlässe.

Man kann also nicht jeden mit dem gleichen Mittel motivieren. Was sie aber alle gemeinsam haben ist, dass man sie motivieren kann, wenn der richtige Trigger angesprochen wird. Diesen muss man herausfinden, um ihn zu drücken, und dafür braucht man Zeit.

Viel Zeit. Viel gemeinsame Zeit, wo man ein Gefühl dafür entwickelt, das Individuum zu verstehen.

Jetzt hat die Piratenpartei dafür jede Menge Gelegenheiten. Wir haben Vorstandssitzungen, Arbeitssitzungen, AG Sitzungen, SG Sitzungen… Bis hinunter zum Stammtisch vor Ort gibt es kaum mehr zählbare Gelegenheiten, Piraten anzutreffen.

Es kommt nicht umhin, dass Vorstandsarbeit in erster Linie Gremiumsarbeit ist.

In der Vergangenheit hatte ich viel Zeit – sehr viel Zeit – damit verbracht, die Piraten auf Bezirks- und später Landesebene zu treffen, um herauszufinden, wie ich sie zur Mitarbeit motivieren kann. In den anderthalb Jahren vor dem letzten Bundesparteitag hatte ich einen Teil dieser Zeit auf die Bundesebene verlagert.

Mit dem Amt des Generalsekretärs sah ich es als meine Aufgabe, dies fortzusetzen und auszuweiten über die Pflichtveranstaltungen hinaus, die sich schon aus der Geschäftsordnung und dem eigenen Zuständigkeitsbereich ergeben.

Ich hatte fast alle Stammtische auf Bezirksebene aufgeben müssen, um die Vorstandssitzungen, Arbeitstreffen sowie die GenSek-Runde, IT-Sprechstunde und IT-Arbeitstreffen wahrnehmen zu können. Diese Treffen finden alle zwei Wochen statt. Zusätzlich wollte ich regelmäßig bei den Vorstandssitzungen der Landesverbände teilnehmen, bei Schiedsgerichtsverfahren, der PolGF-Runde oder bei AG-Sitzungen. Darüber hinaus bei so vielen Gelegenheiten vor Ort auch außerhalb meines eigenen Umfelds, wie beim LPT in Hessen, im Wahlkampf in Niedersachsen oder beim CSD in Nürnberg.

Dazu kamen selbstverständlich noch bis auf weiteres die Verpflichtungen als amtierender Stellvertretender Vorsitzender im LaVo Baden-Württemberg.

Meine ursprünglicher Projektplan sah vor, diese notwendige Präsenz zu erreichen durch mein eigenes Engagement sowie der dafür notwendigen Unterstützung durch die Vorstandskollegen.

Vor meiner Kandidatur hatte ich in meinem Landesvorstand dies kundgetan und hier den notwendigen Rückhalt erhalten. Wir waren damals ein Vorstand, der sich aus sieben sehr aktiven Köpfen zusammensetzte. Für diese angebotene und auch erlebte Hilfe möchte ich mich nochmals bedanken.

Auf der Bundesebene sah diese Unterstützung leider anders aus. Während einzelne Mitglieder des Bundesvorstandes sich genauso oder gar noch mehr einbrachten, gab es leider auch Vorstandskollegen, die regelmäßig abwesend waren. Insbesondere was die Pflichtveranstaltungen im Generalsekretariat betrafen wurde ich schon kurz nach Amtsantritt mit Beschwerden konfrontiert. Ich stand vor der Wahl, dort selbst jedes Mal zu erscheinen oder zuzusehen, wie sich Mitglieder fragten, warum sie in diesem Bereich noch tätig sein sollten, wenn nicht einmal der Vorstand Interesse zeigte.

Damit waren also bereits fünf Pflichtveranstaltungen auf Bundesebene – Schiedsverfahren nicht mitgerechnet – für mich gegeben. Dazu noch meine anderen Verpflichtungen ergab praktisch jeden Abend mindestens eine Sitzung.

Wenn man als Gast bei Gremiumssitzungen erscheint mag man sich fragen, was hieran so schwierig sein mag. Nun mein Verständnis von Gremiumsarbeit ist wie eingangs erwähnt der Versuch, die Mitglieder zu motivieren.

Das erreicht man nicht, wenn man lediglich physisch anwesend ist. Man muss mit den Menschen interagieren. Dazu muss man wissen, was an Aufgaben ansteht, was die anwesenden Menschen aktuell bewegt, welche Herausforderungen anstehen und welche Lösungsmöglichkeiten sich ergeben.

Zu Deutsch, für jede Sitzung ist etwas Vorbereitung notwendig. Und da mein Anliegen in der Motivation der anwesenden Mitglieder liegt – einem wie zuvor beschriebenem Anliegen, das darauf beruht, diese Mitglieder zu kennen und zu verstehen – ist auch eine gewisse Nachbereitung notwendig.

Im Schnitt verbringe ich für eine abendliche Sitzung von ein bis zwei Stunden weitere zwei bis vier Stunden an Vor- und Nachbereitung. Ich gehe meine Notizen der vorherigen Sitzung durch, lese einmal quer alle Kanäle, auf denen ich kontaktiert wurde zum Themenbereich der Sitzung, und verfasse auf Basis meiner handschriftlichen Notizen, die ich während der Sitzung gemacht habe, ein kurzes Briefing für mich selbst.

Wer die Grundschulmathematik erfolgreich hinter sich gebracht hat wird festgestellt haben, dass ich also pro Sitzung etwa drei bis sechs Stunden Arbeit investiere. Einfache Sitzungen. Sitzungen, die nicht bis nach Mitternacht gehen oder für die keine Satzungen studiert werden müssen wie in Schiedsverfahren.

Das ist machbar, wenn man die Sitzungen entsprechend aufteilt. Dadurch, dass dies ausblieb, lief es für mich grundsätzlich darauf hinaus, Zeit aus anderen Bereichen meines Lebens abzuzweigen und $Dinge, die zu tun waren, zu verschieben. Im Dezember waren die $Dinge so lange hinausgeschoben worden, dass sie erledigt werden mussten, wodurch ich für die Parteiarbeit praktisch komplett ausfiel. Dies hatte ich den Vorstandskollegen auch mitgeteilt, nichtsdestotrotz blieb die Anwesenheitsquote der Kollegen im Generalsekretariat auch im Dezember auf einem Niveau, das Mitglieder veranlasste, mich direkt zu kontaktieren.

Dieser Missstand war ein Thema, das ich immer wieder angesprochen hatte, und eine Besserung war nicht absehbar. Eher drängte sich mir der Eindruck auf, dass dies mehrheitlich nicht von Interesse war.

Statt Mitglieder zu motivieren war ich daher kaum in der Lage, motivierte Mitglieder zu halten. Denn die gegenseitige Demotivierung der Mitglieder quer durch die Partei – und diesen Vorwurf muss man allen Gruppierungen innerhalb der Piratenpartei von der Basis bis in die Vorstände hinein machen – schreitet weiter voran. Auch das hatte Konsequenzen und weder ich noch sonst ein Parteimitglied kann heute noch mit der gleichen Unterstützung rechnen wie noch vor einem halben Jahr.

Für mich gab es also rein logisch betrachtet nur drei Varianten, wie es weitergehen konnte.

Variante 1: Ich gebe praktisch mein Leben außerhalb der Piratenpartei auf, wozu ich weder bereit noch im Stande bin.

Variante 2: Ich gebe mein Parteileben außerhalb des Bundesvorstandes auf und führe dieses Amt deutlich schlechter aus, als es meinen eigenen Ansprüchen genügen würde.

Dies war eine Weile in meiner Überlegung, habe ich jedoch verworfen, da mich Tätigkeitsberichte über die eigene Parteitätigkeit vor Ort zu sehr erzürnten, während ich zusehen musste, wie mein eigener Bezirksverband aufgelöst werden musste, da kein handlungsfähiger Vorstand mehr zusammenkam.

Variante 3: Ich gebe mein Amt im Bundesvorstand auf und konzentriere mich wieder auf meine Arbeit vor Ort, im Landesverband und darüber hinaus, sofern es meine Zeit zulässt.

Angesichts der Tatsache, dass ich voraussichtlich spätestens Ende Februar / Anfang März wieder in der gleichen Situation gewesen wäre, was nachzuholende Dinge betraf, gab es für mich lediglich die Option, meinen Rücktritt zu erklären.

Damit endete meine Amtszeit nach insgesamt 207 Tagen.

Im Rückblick für mich eher frustrierend, aber doch mit dem einen oder anderen Lichtblick. In diesen 207 Tagen haben wir eine Serverbeschlagnahmung erlebt, die Servicegruppe Neumitglieder, die ich angeregt hatte, beschlossen und auch die ersten Bewerbungen erhalten und eine Menge Zeit mit den Rechtsstreitigkeiten unter den Mitgliedern und Exmitgliedern erlebt.

Nach wie vor sehe ich die Partei in ihrer Existenz aufgrund nachlassender Aktivität gefährdet und werde dieses Problem angehen. Nur nicht mehr im Bundesvorstand.

Meinen ehemaligen Kollegen wünsche ich Glück und Erfolg in ihrer verbleibenden Amtszeit.

~ Stephan Erdmann

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