Am 23.5. nahm ich – Matthias ‚kungler‘ Schrade – als Vertreter der Piratenpartei an einem Treffen der Fachgruppe „Politik & Gesellschaft“ beim Deutschen Fundraising Verband zum Thema Transparenz teil. Anwesend waren u.a. auch die Schatzmeister bzw. Fundraising-Beauftragte anderer Parteien (CDU. SPD, GRÜNE, FDP), Greenpeace, Transparency International, Deutsche Post und Deutsche Bank. Die Veranstaltung fand im Gästehaus der Berliner Stadtmission nahe dem Hauptbahnhof statt.

Im Verlauf des insgesamt 6-stündigen Treffens berichteten die etwa 15 Anwesenden von ihren Erfahrungen mit Transparenz, entsprechende Standards und bestehende Veröffentlichungspflichten. Dabei zeigte sich, dass die Parteien erheblich höhere Anforderungen zu erfüllen haben als NGOs. Hier wurde auf teilweise erhebliche Lücken hingewiesen; beispielsweise berichten TV-Spendengalas größtenteils so gut wie gar nicht, was sie mit den eingenommenen Millionen machen und wie viel davon sie für die Organisation ausgeben – und wofür (Honorare für Stars? Hotel- und Flugkosten? usw usw).

Intensiv diskutiert wurde auch über die Thematik „Privatsphäre vs. Transparenz“. Hier berichtete vor allem der Greenpeace-Vertreter von erlebten Problemen, die für Förderer durch eine – weltweit recherchierbare – öffentliche Namensnennung entstehen können. Beispiele sind Begehrlichkeiten bei Dritten, die Gefahr „schwarzer Liste“ etwa bei der Einreise in bestimmte Länder oder das in-eine-Rolle-gedrängt-werden durch Bekanntwerden einer Spende. Hier stellt sich die Frage, ob es ein „Recht auf Intransparenz“ geben sollte, gefolgt von Fragen wie: Wo endet es? Welche Netzwerke entstehen? Welcher Einfluss auf z.B. Kultur entsteht?

Hingegen spielen bei Parteien andere Faktoren eine Rolle. Die Mittelverwendung ist meist unkritisch – Verwaltungsausgaben, Wahlwerbung, Informationsmaterial – während aus Sicht der Öffentlichkeit die mögliche Einflussnahme über Spenden kritisch zu hinterfragen ist. In diesem Rahmen stellten SPD und GRÜNE ihre Spendenrichtlinien vor, ich selbst erläuterte die der PIRATEN. Zudem gingen wir näher auf die Themen „Großspenden“ und „Sponsoring“ ein. Letzteres spielt entgegen der Wahrnehmung in der Öffentlichkeit eine weitaus geringere Rolle als angenommen. Die GRÜNEN erzielte zuletzt 260 TEUR aus Sponsoring (ca 4% der Einnahmen), wobei der größte Einzelposten bei 12 TEUR lag. Bei der SPD entfielen gar weniger als 1% der Einnahmen auf Sponsoring.

Aufgrund der schon heute sehr hohen Transparenzpflichten für Parteien und der hohen Sensibilität der Öffentlichkeit für dieses Thema sind alle Schatzmeister erkennbar bemüht, sauberstmöglich zu arbeiten. Verfehlungen entstehen meist durch schwarze Schafe in unteren Gliederungsebenen, oft auch durch Unkenntnis. Ähnlich wie die Piratenpartei nur ehrenamtliche Schatzmeister hat, sind auch die Schatzmeister in den 10.000 Ortsvereinen der SPD durchweg ehrenamtlich aktiv. Dies kann zu Fehlern führen, wenn das 120-seitige interne Regelwerk nicht beachtet wird. Auch die CDU hat eine föderale Struktur. Die FDP begrenzt dieses Problem durch eine(n) zentrale(n) Buchhaltung(sservice), offenbar ähnlich wie wir es mit unserer Verwaltungssoftware gerade umsetzen.

Wenn es Kritik an der Transparenz gibt, so liegt dies eher an der mangelnden Aufbereitung bzw. schlechten Findbarkeit der verfügbaren Informationen – ich nannte hier das Stichwort „Vogonismus“ am Beispiel unseres Wiki. Angeregt habe ich die Verlinkung einer googlebaren Liste der größten Spender auf den Partei-Webseiten (also durch Suche nach „SPD Spende 2010“ o.ä.), da den wenigsten Bürgern bekannt ist, dass diese im Rechenschaftsbericht genannt sind und dieser wiederum sich auf der Bundestags-Seite finden lässt. Auch habe ich empfohlen, Sponsoring-Einnahmen freiwillig analog zu Spenden zu veröffentlichen (wenn ich meine Notizen richtig lese, haben die GRÜNEN dies bereits beschlossen).

Zusammenfassend stimme ich der Schlussfolgerung zu, dass Transparenz für NGOs sich vor allem auf die Rechenschaftspflicht über die Mittelverwendung konzentrieren sollte, während bei Parteien Transparenz über die Mittelherkunft entscheidend ist. Insgesamt kamen wir zu der Erkenntnis, dass die Probleme durch Einflussnahme von Lobbygruppen auf politische Entscheidungen nicht viel mit dem Spendenwesen und etwaigen Transparenzlücken der Parteien zu tun haben; der Weg direkt über Abgeordnete liegt erheblich näher. Hier wies ich auf unsere Initiative zu § 108e hin, die Kollegen sagten zu dies weiterzugeben.

Geplant ist, den Austausch zwischen den Partei-Vertretern einerseits fortzusetzen – vor allem im Hinblick auf gegenseitige Tipps zum Fundraising, das (für mich überraschend) in allen Parteien noch recht unstrukturiert betrieben wird. Andererseits wollen wir die Partei- und NGO-übergreifende Fachgruppe insgesamt, die sich derzeit nur alle 6 Monate (sic!) trifft und auch bedingt durch wechselnde Orte eine hohe Fluktuation an Teilnehmern aufweist, durch die von mir angeregte Nutzung von Werkzeugen wie z.B. Mumble zu einer arbeitsfähigen Einheit machen.

Über weitere Treffen werde ich zeitnah informieren und mich auch dafür einsetzen, dass diese soweit möglich öffentlich stattfinden.
Anlage: interessante Links, die während der Veranstaltung erwähnt wurden

TAZ: Der Geheimdienst für das Finanzamt
würde diese Planung umgesetzt, ist Willkür durch jeden (!) Verfassungsschutz möglich

Charta der Spendenrechte
freiwillige Selbstverpflichtung für Fundraising, ist glaube ich noch immer in Diskussion

Initiative für eine EU-Stiftung
hochkarätig intransparent, je nach Land sehr verschiedene Definition von Stiftungen

Initiative Transparente Zivilgesellschaft
a) könnten unsere Fraktionen in Saarland, SH und NRW unterstützen analog zu Berliner Senat für Jugendhilfe
b) könnten wir mit Piratenpartei unterschreiben; wg. Besonderheiten Partei mit Ausnahme von X

PHINEO
ist eine Art „Ratingagentur“ für NGOs