Hallo Zusammen,

Um Missverständnisse in dieser Diskussion zu vermeiden, wollen wir hier erst einmal ein paar grundlegende Begriffe klären. Vermutlich ist der Großteil der Verärgerung tatsächlich durch solche Begriffsunterschiede entstanden. Darum möchten wir zunächst einmal definieren, was wir unter den relevanten Begriffen verstehen.

Transparenz ist immer rückwirkend/retroaktiv. Transparenz bedeutet nachvollziehen zu können WER, WANN, WO, WAS, WARUM entschieden hat. D.h. Transparenz bietet Informationen über die Vergangenheit. Sie ermöglicht es Entscheidungen, Gremien und Personen zu bewerten, zu kritisieren und zu hinterfragen und eventuell in der Zukunft diese Entscheidungen korrigieren zu können.
Transparenz setzt voraus, dass Ergebnisse und Protokolle sauber aufbereitet werden. Der Mitschnitt einer 4-stündigen Audiokonferenz ohne weitere Zusatzinformationen bietet keine Transparenz. Wenn man ein Dutzend solcher Mitschnitte ins Wiki stellt, wird niemand das richtige Protokoll finden. Transparenz entsteht also aus der Veröffentlichung und der Aufbereitung von Tatsachen.
In einer transparenten Welt können wir verfolgen, was passiert ist: Wieso gab es eine Entscheidung, sind die Motive ehrlich oder wurde bestochen, … Die Ergebnisse des Prozesses werden überprüfbar.

Die Veröffentlichung zu großer Mengen an Informationen führt nicht zu Transparenz, sondern zu Vogonismus. Das Piratenwiki ist ein gutes Beispiel: Es enthält soviele unsortierte Informationen, dass die gezielte Suche schwierig ist. Alleine die schiere Masse an Protokollen macht die Suche nach einzelnen Beschlüssen nahezu unmöglich. Wenn wir über jede einzelne verschickte oder eingehende E-Mail berichten würden, könnten wichtige Informationen nicht mehr aufgefunden werden. Würden wir über jede Idee berichten, die wir haben, könnte niemand mehr sinnvoll filtern. Sinnvoll ist es daher, über Ideen zu berichten, die einen gewissen Reifegrad erreicht haben.

Überwachung bezieht sich auf die Gegenwart, sie ist aktiv. In einer überwachten Welt können wir vielleicht noch eingreifen – es geht darum zu überwachen, wer gerade was tut. Überwachung geht über die Transparenz hinaus, beinhaltet diese aber nicht notwendigerweise. Sie basiert grundsätzlich darauf, dass Menschen nicht vertraut wird – sonst müssten sie ja nicht überwacht werden. Überwachung bedeutet daher immer einen massiven Eingriff in die Privatsphäre eines Menschen.
Durch Überwachung wird der Prozess und alle einzelnen Teilschritte öffentlich – auch die, die am Ende nicht zum Ergebnis beitragen. Man darf dabei keine Fehler machen, denn was man ohne Überwachung einfach korrigieren würde, wird einem überwachten Menschen vorgeworfen. Durch Überwachung verändert sich also das Verhalten und die Arbeitsweise: Sie werden weniger effektiv – denn man muss Fehler machen dürfen, um besser zu werden.

Kontrolle ist proaktiv, sie bezieht sich auf die Zukunft. In einer kontrollierten Welt können Prozesse beendet werden, bevor sie starten. Kontrolle beinhaltet grundsätzlich die Überwachung. Sie geht aber über diese insofern hinaus, dass sie nicht nur überwacht, was geschieht, sondern darauf auch aktiv Einfluss nimmt – nicht nur durch Kritik, sondern durch Taten. Kontrolle versucht die Welt zu lenken. Wenn ein Teilschritt nicht passt, wird – statt dies der Entscheidung der betreffenden Person zu überlassen – eingegriffen und die gesamte Entwicklung in eine andere Richtung gelenkt.

Strategie ist erst einmal keine inhaltliche Frage. Strategie ist langfristig (im Gegensatz zur Taktik). Sie denkt über das einzelne Ziel – also z.B. eine Wahl – hinaus. Eine Strategie definiert organisatorische Ziele und Wege, wie diese Ziele erreicht werden können.

Auf einen Vorstand bezogen bedeutet das: Ein transparenter Vorstand begründet seine Entscheidungen. Er stellt dar, warum etwas so geschehen ist, wie es geschehen ist. Transparenz bedeutet dabei aber nicht, dass jeder bei jedem Treffen dabei sein kann – das wäre Überwachung. Um zu garantieren, dass ein Vorstand keine geheimen Treffen stattfinden lässt, was ja das Ziel einer Überwachung wäre, müsste dieser Vorstand 24/7 überwacht werden. Ein Privatleben wäre damit undenkbar.

Eine Kontrolle des Vorstandes würde bedeuten, dass Entscheidungen, statt durch den vom Bundesparteitag gewählten Vorstand, von anderen getroffen werden. Diese anderen sind aber auf keinerlei Art legitimiert, für die Partei zu entscheiden oder über die Arbeit des Bundesvorstandes zu verfügen.

Viele Piraten scheinen unter Strategie inhaltliche Festlegungen zu verstehen („Welche Inhalte verkaufen wir nach außen?“). Das ist falsch, denn diese Festlegung obliegt dem Bundesparteitag. Wenn wir als Vorstand von Strategie reden, so ist dies die hier definierte organisatorische Strategie.

Strategie ist nichts Böses. Wenn wir langfristig unsere politischen Ziele umsetzen möchten, müssen wir strategisch vorgehen. Ein strategisches Vorgehen heißt nicht, dass wir Inhalte unter den Tisch fallen lassen oder dass wir unsere Ziele über die Methoden stellen. „Der Zweck heiligt die Mittel“ ist nicht strategisch, sondern fundamentalistisch. Strategie beinhaltet auch die Frage, wie man existierende Inhalte präsentieren kann, wo man sie präsentieren kann, wie man Unterschiede zu anderen Parteien darstellt etc.

Diskussionen über organisatorische Strategie können aber nicht öffentlich geführt werden. Wenn wir beispielsweise darüber reden, dass ein Überraschungsevent zu Bürgerrechtsfragen eine gute Idee wäre, dann macht die Veröffentlichung dieser Idee die Überraschung kaputt. Andere Organisationen / Parteien können diese Idee für sich dann mit größerer Medienaufmerksamkeit benutzen. So ergibt Planung keinen Sinn.

Gleichzeitig ist Strategie einerseits ein schwieriges und unbeliebtes Thema, wie man bei der Marina Kassel merkte. Und es ist ein Thema, in dem es sich bewährt hat, erst in einer kleinen Gruppe zu brainstormen und dann in die große Gruppe zu gehen. Strategie braucht Feedback, der Gruppenwechsel ist daher erforderlich. Aber Strategie braucht auch Ruhe.
Jede kleine Gruppe innerhalb der Partei kann dies jederzeit gerne tun – hier bot sich ein Termin dafür an.

Hinzu kommt, dass eine politische Strategie agil sein muss – das gesteckte Ziel bleibt vielleicht gleich, aber die Wege dahin verändern sich. Ein Ziel wird früher erreicht als gedacht oder es wird hinfällig, ein Mitbewerber reagiert und ermöglicht andere Durchsetzungsmöglichkeiten, aktuelle Entwicklungen verändern die Reihenfolge, in der Ziele erreicht werden können etc. Strategische Planungen können daher nicht von einem Bundesparteitag vorgenommen werden. Dieser legt die politischen/inhaltlichen Ziele (Programm) fest und er beauftragt ein Gremium (den Vorstand) mit deren Umsetzung.

Jetzt zu dem Treffen in Plankenfels und dem offenen Brief:

Wie bereits mehrfach geschrieben, war geplant, das Treffen in Plankenfels analog zu unserem internen Treffen in Köln transparent aufzuarbeiten, die gefundenen Ideen soweit sinnvoll möglich schriftlich zu veröffentlichen. Leider kam die Veröffentlichung einer E-Mail vorweg, so dass es zu diesem Missverständnis kam.

Um was geht es bei dem Treffen in Plankenfels?
Primär findet am Sonntag in Plankenfels ein Treffen der Pressepiraten statt. Zu diesem Treffen wurden der Bundesvorstand, Vertreter aller Landesverbände, sowie das Kernteam der Bundespresse eingeladen. In diesem Treffen soll geplant werden, wie die Pressearbeit der Piratenpartei sinnvoller gestaltet werden kann, wie Länder und Bund besser zusammenarbeiten können und wie die Planung der Arbeit besser laufen kann.

Aber Öffentlichkeitsarbeit hat auch eine strategische Komponente. Hier kommen wir zu dem „Strategietreffen“, das so viele Fragen aufgeworfen hat. Wenn wir in diesem Kontext von Strategie sprechen, meinen wir die Strategie der Öffentlichkeitsarbeit, wie oben dargestellt. Beispielsweise ist „Vision der Piratenpartei“ keine inhaltliche Aussage. Gesucht ist ein einzelner Satz, den man in PMs immer wieder wiederholen kann. Das Ganze ist eine Brainstorming-Übung zum Einstieg. „Image der Piratenpartei“ ist die Frage, welches Image wir derzeit haben, welche Unterschiede in der Öffentlichkeitsarbeit betont werden können etc.
Dieses „Strategietreffen“ trifft keine Beschlüsse. Es ist auch nicht das relevante Treffen – es soll nur eine Diskussion vorbereiten. Wir wissen, dass wir das nicht in einer kleinen Gruppe besprechen können. Aber irgendwo muss die Diskussion beginnen. Grundlegend geht es bei dem Treffen nur darum, wie die Öffentlichkeitsarbeit der Piratenpartei strategisch aussehen kann. Dabei geht es weniger um den Aufbau der Teams oder um die Kommunikation zwischen  Land und Bund – das ist Sonntag – sondern darum, welche  Rahmenbedingungen es gibt, wie wir Erfolg definieren können oder wie  eine strategische Öffentlichkeitsarbeit insgesamt aussehen kann.  Das wird auch Teil der Diskussion am Sonntag sein.

Das Pressetreffen am Sonntag ist fix geplant. Das Treffen für Samstag war ein Terminvorschlag – er würde gut passen, damit würden wenig bis gar keine Zusatzkosten entstehen. Das Hostel ist deshalb auch bereits angefragt, da wir eh ein paar Übernachtungen haben.

Für das Pressestrategietreffen war außerhalb des ohnehin eingeladenen Teams auf Bundesebene bisher nur ein Pirat eingeladen – den Einladungstext kennt ihr. Der Text der E-Mail ist verbindlich. Wir wollten keine Diskussion über den Termin, wir wollten wissen, ob er möglich ist. Ist er nicht möglich, hätten wir über Alternativen nachgedacht.
Am Sonntag beim Pressetreffen sind aber die Vertreter aller LVs sowie der verantwortlichen AGs eingeladen, damit sind Struktur und Regionalverteilung der Partei wiedergespiegelt.

Hätten wir die Existenz des Termins vorher bekanntgegeben? Natürlich. Auf das Pressetreffen haben wir bereits in unseren inkrementellen Tätigkeitsberichten verwiesen, es war auf mehreren Landespresselisten, etc. Auch das Stattfinden des „Strategietreffens“  wäre bekannt gegeben worden. Aber erst dann wenn wir wissen, dass es stattfindet.
Bislang haben wir auch für das Pressetreffen kaum Feedback – wir wissen also nicht einmal hier, wie viele Teilnehmer kommen.

Das Strategietreffen hat keine inhaltlichen Komponenten. Soweit Diskussionsinhalte also nicht ausschließlich die Organisation der Pressegruppe betreffen, werden wir selbstverständlich umfassend darüber informieren. In jedem Fall aber werden wir die betroffenen Arbeitsgruppen etc. in die Debatten einbinden. Wir sind uns bewusst, dass Piraten plötzlich auftauchende Diskussionsergebnisse nicht annehmen würden. Wir werden daher natürlich über die Diskussionen informieren.

Für die Kosten ist geplant, diese wie bei der Marina Kassel zu verteilen. Der Bund trägt die Raummiete und die Reisekosten der Bundesvertreter, die Landesverbände tragen die Reisekosten ihrer Vertreter jeweils selbst. Dieses Modell hat sich unseres Wissens nach bei allen Parteitreffen bewährt.  Anfallende Kosten werden wie immer veröffentlicht. Einen entsprechenden Beschluss gibt es noch nicht, da der Termin nicht abschließend bestätigt ist.

Wir hoffen, dass wir damit alle offenen und im Brief gestellten Fragen beantworten konnten. Ansonsten fragt einfach. Wir haben aus der Kritik auch gelernt, Planungen zu Treffen noch früher zu kommunizieren. Wir haben nichts zu verbergen, und was wir tun, tun wir nicht gegen, sondern für die Piraten.

Euer Bundesvorstand